Montag, 21. März 2011

Wie die Lemminge... Nichts neues von den Verlagen...

Wie die Lemminge laufen sie sehenden Auges fröhlich dem Abgrund entgegen.

Diesen Eindruck konnte man auf der Leipziger Buchmesse gewinnen, wenn man letzten Donnerstag, am 17. März 2011 die Diskussion "Der Stationäre Buchhandel in Zeiten der Digitalisierung" verfolgte.

Zur Zeit ist es so, daß vom Erlöß jeden Buches 40-50% an die Buchhändler gehen. In dem Zusammenhang ist es auch interessant zu wissen, daß die Druckkosten durch den Konkurrenzdruck in den letzten Jahren nur noch um die 10% der Herstellungskosten betragen (und deswegen Book on Demand erst möglich wird). Zwischen 10% und 15% des Verkaufserlöses erhält übrigens der Autor.

Wichtig sind diese Zahlen vor allem vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre, wo Online-Großhändler, wie Amazon, Libri und Co. dem stationären Buchhandel, also den Geschäften vor Ort die Kunden abgraben.

Der Anteil der Belletristik beträgt im Buchhandel nur noch 10%. Reiseführer werden in 5 Jahren, so die Einschätzung, nur noch marginal zu finden sein.
Nach der Diskussion rumourten die Gedanken und ich glaube, daß die Verlage nicht erkannt haben, daß das Buch als reiner Informationsträger heute nicht mehr funktioniert. bestes Beispiel sind dafür Enzyklopädien, die heute weitgehend von Wikipedia verdrängt wurden. Auch Kartenmaterial wird dank Google Maps und Openstreet Map kaum noch gebraucht, höchstens für Spezialanwendungen und -anforderungen, wie im Flugverkehr. Auch Bücher, die Themen behandeln, die einem schnellen Wandel und gestiegenen Aktualisierungsanforderungen unterliegen, werden zukünftig eher marginal vertreten sein.

Torsten Casimir (Chefredakteur Börsenblatt) hat es in der Diskussion auf den Punkt gebracht: Warum wird Papier als Trägermedium nicht stärker propagiert? Warum werden die Vorteile des klassischen Buches nicht herausgestellt? Und auch Rainer Groothuis (Verlag Corso) wies flankierend darauf hin, daß Buchhandlungen per se Orte kultureller Begegnung seien, da dort mit kulturellen Werken gehandelt wird.
Wichtig ist hierbei, daß die Verlage und Buchhändler, insbesondere die großen Ketten begreifen, daß nur, wenn man das Buch als Kulturgut begreift und behandelt, eine Buchhandlung eine Daseinsberechtigung als Ort des Zusammenkommens behält. Anders gesagt, wenn Bücher nur als (irgendein) Unterhaltungsmassenprodukt begriffen werden, wenn Buchhandlungen zu reinen Verkaufsflächen werden, keine Beratung und keine (suggerierte) persönliche Beziehung zum Kunden aufgebaut wird, wenn man als Kunde dann noch den Satz "Aber sie können das bestellen" hört, dann muß man sich nicht wundern, wenn die potentiellen Käufer den stationären Buchhandel umgehen und via Internet bestellen.

Das Buchhändler auf Kunden eingehen können, zeigte das Beispiel der auf dem Podium vertretenen Händlerin Annerose Beurich, die mit ihrem Laden "stories" versucht, auf Kunden persönlich einzugehen, in ihrem Laden eine Wohlfühloase schafft, sich und ihre Kollegen weiterbildet und ihre Kunden auch im Internet abholt, Zitat: "Ich mag Twitter, Facebook und Co. persönlich nicht. Aber als Buchhändlerin muß ich dort präsent sein, damit meine Kunden sich informieren können, was es nun alles bei mir gibt, was meine Empfehlungen sind, was sich im Laden verändert hat."

Interessant waren übrigens auch die Diskussionen und die Einschätzungen zum Thema Ebooks. Der Vertreter des Zwischenhandels Rudolf Sommer berichtet, daß sie die verlage dabei unterstützen ihre Bücher auf Ebooks zu portieren. Da, so Neffe, bislang kaum Geräte verkauft wurden, bleibt die Entwicklung der Ebook-Reader skeptisch zu sehen, allerdings würde der Markt der Tablett-PCs, so seine Einschätzung, das Thema Ebook in den kommenden 2 Jahren voranbringen, weg von starren Inhalten und 1:1 Kopien, hin zu Multimedia-Anwendungen mit viel Zusatzinformationen und interaktiven Elementen.

Ich persönlich halte diese Einschätzung für Quark, zum einen sind Autoren in der Regel Autoren geworden, weil sie eins gut können, Texte schreiben. Verlage müssten sehr viel Energie in die Multimediasierung eines Buches stecken und das dürfte ein hohes Investitionsrisiko bergen. Andererseits, das erwähnte ich oben bereits, sollte man trennen, zwischen dem Buch als Informationsträger und dem Buch als inneres Erlebnis. Im ersteren Fall hätte Neffe vermutlich recht, aber wäre das noch ein Buch? Oder nicht doch eher eine verdongelte x-beliebige Multimediapräsentation, wie sie auch heute schon möglich wäre? Wenn letzteres, also die Geschichte, die ein Autor erzählt, das Fesselnde eines Buches ist. Kaufe ich dann die schönere Geschichte, oder weil ein "Buch" dann viele Gimmicks hat?

Zurück zum EBook, für den Erfolg des Ebooks müssen mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
  1. Hardware muß massiv billiger werden
  2. Es muß ein breites Angebot geben
  3. Es muß genutzt werden und zwar von vielen
  4. Es muß offen sein und darf die Benutzer nicht gängeln
Insofern ist der Vorstoß von Libreka sehr zu begrüßen, die die Verlagswelt zur einsicht gebracht haben größtenteils auf DRM zu verzichten und wenn schon, dann nur auf Wasserzeichen zu setzen.

ich bin gespannt, wie sich das Buch und die Haltung der Verlage in den nächsten Wochen entwicklen wird.


Die Buchindustrie, so Jürgen Neffe in seinem Eingangsstatement, propagiert seit Jahren den Satz "Warten wir es mal ab" und fährt mit dem gleichen Tempo gegen die Wand, wie die Musikindustrie und betreibt lieber Kaffeesatzleserei und stochert dabei hilflos im Nebel.

Freitag, 18. März 2011

Damit wir nicht an uns scheitern...

Wenn ich eins in den letzten Jahren gelernt habe, dann ist es dies, daß nur der Wille zu Veränderung nicht ausreicht.

In den Jahren 2006/2007 mit viel Enthusiasmus gestartet, waren wir als kleine Gruppe hochmotiviert und wollten politisch sein, weil wir politisch sein mußten. Wir hatten ein klares Feindbild vor unseren Augen, hatten den Überblick, wer an unserer Seite war und die anderen Parteien hatten uns ignoriert und wir konnten uns ohne Konsequenzen in Scharmützel stürzen und den einen oder anderen Stachel in die etablierten Parteien treiben.

Heute, knapp 5 Jahre später ist das anders. Die etablierten Parteien, allen voran die kleinen, wie die Grünen und die FDP, haben genau auf dem Schirm, was wir treiben. Es ist spätestens seit der Wahl zum europäischen Parlament zu beobachten, wie gerade die Grünen versuchen, unsere Stil- und Ausdrucksformen zu kopieren und den Bürgern zu suggerieren versuchen, "wählt lieber Grün statt Orange, da habt ihr neben den Bürgerrechten, gleich noch Öko mit drin". Wenn man einigermaßen aufgeklärt ist, kann man recht leicht feststellen, daß es gerade die Grünen sind, denen ein beispielhafter Spagat gelungen ist,  sich nach außen hin als moderne, offene und fortschrittliche Partei darzustellen und im Inneren (und in all ihrem Handeln und Tun) erzkonservative, rückständige und technologie- und fortschrittsfeindliche Ansichten zu pflegen.

In diesem Umfeld, wo wir als Partei, als Piraten so ernstgenommen werden, daß es in anderen Parteien strategische Überlegungen gibt, wie man die Kernthemen der Piraten oberflächlich integrieren und uns damit das Fundament zerbröseln kann, müssen wir uns absolut darüber klar werden, daß eine gewisse Professionalisierung in der politischen Arbeit erfolgen muß.

Professionalisierung heißt hier in allererster Linie die Verbesserung der internen, aber auch der externen Kommunikation. Wir haben als Partei den Anspruch, unser Wirken für den Bürger transparent zu machen, die Hürden zur Mitarbeit niedrig zu halten und auf allen Kanälen präsent zu sein.

Leider haben wir es versäumt uns auf Regeln im Umgang miteinander zu einigen, und wer die Aktiven-ML liest, mal im Forum vorbeigeschaut oder einen Shitstorm bei Twitter erlebt hat, weiß, wovon ich schreibe. Ob der Prozess der Spielregelfindung durch den Bundesvorstand hätte angestoßen werden müssen, möchte ich hier gar nicht diskutieren. Fakt ist aber, daß wir Piraten und an uns Interessierte durch Eskalationen verloren haben und wenn wir nicht gegensteuern auch weiter verlieren. Wem das nicht einleuchtet, der sollte sich fragen, ob zB. ein Berufstätiger, der Sympathien für uns zeigt, der nach 9h Arbeit nach Hause kommt, in täglichen Verhandlungen mit Frau und Kindern sich müde Freiraum für die Piraten schaufelt, dann durch hunderte Mails auf der Suche nach den Perlen wühlt, vielleicht auch eine geniale Idee hat, diese in eine Diskussion einbringt, in der frohen Haltung, einen konstruktiven Beitrag geleistet zu haben -- nur um dann wenige Stunden später feststellen zu müssen, daß im besten Falle niemand seinen Beitrag bemerkt, geschweige denn gelesen hat und im schlechtesten Fall durch selbsternannte "Hüter der Wahrheit" sein Beitrag in der Luft zerrissen und sinnentstellt seine Worte verdreht wurden.

Betrachten wir aber auch mal die Wirkung der Partei nach außen hin. Seit letztem Jahr fehlt den Piraten bundesweit ihr Gesicht. Jens Seipenbusch tritt defacto nicht mehr in Erscheinung, das Außenbild des Vorstandes war viele Monate hinweg jenes der Zerstritten- und Zerissenheit. Ein klares Signal, wohin die Reise geht, auch eine klare Vorbildwirkung im positiven Sinne, auch als Signal in die Partei hat es nicht gegeben. Einzig politisch wirksam wahrgenommen wurden die Einzelleistungen von C. Lauer und A. Popp.
Neben dem desolaten Zustand des Bundesvorstandes (als Einheit) haben wir es als Piraten nicht verstanden,  pro aktiv Akzente zu setzen. Verfolgt man zum Beispiel die Aktivitäten der Piraten über Twitter, so stellt man schnell fest, daß es nur wenige Stimmen gibt, die kritisch aktuelle Entwicklungen hinterfragen und Dinge erst einmal analysieren und verstehen wollen. Die Mehrzahl rottet sich selbstbeweihräuchernd zusammen um die nächste Sau durchs Twitter-Dorf zu treiben.

Für mich war und ist der geschilderte Zustand der Piraten ein entscheidender Grund gewesen, zu überlegen, woran es liegt: Ein Grund ist,  wir sind alle politikunerfahren gewesen, als wir zu den Piraten gefunden haben, vielen von uns fehlt die soziale Kompetenz und das Wissen darüber, wie man in der Gruppe gut zusammenarbeitet. Aber auch, und da komme ich auf den Anfang zurück, fehlt uns untereinander auch die Möglichkeit des Einordnens, des Bewertens, die Transparenz, das Wissen über uns und unsere Mitstreiter. Vertrauen bedingt, daß wir einander kennen. Und nur, wenn wir Vertrauen aufbauen können, können wir gut zusammenarbeiten.

Wir sollten hier von den Piraten lernen, die sich schon mit Projektmanagment und Kreativitätstechniken beschäftigt haben. Dinge, wie Lightning-Talks, um mal eben schnell eine Idee vorstellen zu können oder Metaplan-Technik, um Ideen von ihren Ideengebern zu abstrahieren um Blockaden (egal ob soziale oder andere) lösen zu können, aber auch geführte Diskussionen, wie Fish-Bowl haben sich zum Beispiel in Sachsen bewährt.

Auch wenn ich hier Projektmanagmenttechniken lobe, so sind sie nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir haben es immer noch mit den Problemen der U-Boote, der Störer und der Besserwisser zu tun. Mit U-Booten meine ich diejenigen Mitglieder, die man nie im Prozess der Meinungsfindung erlebt, die aber immer dann auftauchen, wenn der Prozess abgeschlossen ist und das Ergebnis verabschiedet werden soll. U-Boote sind oft schwer frühzeitig zu erkennen, wie auch, denn oft erscheinen sie weder bei Arbeitstreffen, noch kann man etwas von ihnen lesen. Störer sind diejenigen, die eine Diskussion in Kriegsschauplätze verwandeln, die mit den Stilmitteln der Überspitzung, des persönlichen Angriffes, der Verballhornung, kurzum, mit dem gesamten Schopenhauer'schen Arsenal an Bösartigkeiten die gemeinsame Arbeit zu torpedieren, ob aus niederen Beweggründen oder gezielt ist dabei schon egal. Und der klassische Besserwisser, ist derjenige, der auf jedem Gebiet etwas zu sagen hat, der sich von Expertenmeinungen nicht einschüchtern läßt und fleissig sein Ego pflegt.
Hier Varianten zu finden, den Spagat hinzubekommen, grundsätzlich allen die Möglichkeit zum Mitmachen zu eröffnen und dennoch gemeinsames ergebnisorientiertes Arbeiten ohne Störung zu gewährleisten, ist eine Herausforderung, die, wollen wir bestehen, wir unbedingt bewältigen müssen.

Um dem gleich einen Riegel vorzuschieben, wir benötigen nicht neue Kommunikationskanäle, wir benötigen nicht technologische Lösungen. Wir benötigen vielmehr soziale Methoden, die es uns ermöglichen endlich politisch tätig zu sein und wirksam zusammen(!)zuarbeiten.