Dienstag, 27. Mai 2014

Das Loch

Eigentlich wollte ich, bezugnehmend auf ein altes Interview von mir, für mich und alle Interessierten aufzeigen, ob und wie wir diese Piratenpartei neu aufstellen können.

Doch im Moment kann ich diese Fragen nicht beantworten. Ich hatte gehofft, daß sich viele daran erinnern, warum die Piraten gegründet wurden, warum wir ihr beigetreten sind, warum wir unsere Freizeit opferten und wir die letzten Wochen auf der Straße standen.

Doch ich kann nicht.

Ich versuche mich daran zu erinnern, weshalb es uns Piraten braucht. Wir haben die Hälfte der Kernwählerschaft verloren. Erst zur Bundestagswahl, jetzt zu den Kommunal- und Europawahlen. Ich habe gehofft, wir finden den Weg zurück. Wir stehen am Scheideweg. Auf der einen Seite die vielen neuen Kommunalpiraten die unsere Hilfe brauchen. Auf der anderen Seite, die Schönredner, Kleingeister und Machthungrigen, die mit billiger Polemik versuchen ungelebte Inhalte zu kaschieren.

Wollte ich je in einer Partei sein, die, wenn es nur kurzfristig Aufmerksamkeit und Stimmen bringt, ihre Wurzeln vergisst? Braucht es Piraten noch, wenn es nur darum geht irgendwie Sieger zu sein?

Wegen Schily-Katalog eingetreten, das Wesen des Digitalen versucht zu ergründen und in globalisierter Überwachungsgesellschaft ohne wahrgenommene Antworten, dominiert von apolitischen¹ Mitgliedern, die Wohlfühlmetaphern hinterher rennend, das Paradoxon einer Partei aufzeigen, die mehr denn je gebraucht wird, aber nicht fähig ist, brauchbar zu sein.

Es ist ein Loch. Tief und schwarz.

Drei Wege führen hinaus.

Dem Schicksal ergebend sich in Traumwelt flüchtend.
Dem Schatten angepasst die Nacht ergründend.
Helfende Hände, das Loch zuschüttend.

Drei Wege führen hinaus. Für mich immer.
Das Licht wird schwächer, der Nebel sinkt.
Wird das Lied gemeinsam klingen? Hoffnungsschimmer.

Drei Wegen führen hinaus, hinein geht's immer.


¹ apolitisch, weil es ihnen kaum gelingt sich inhaltlich mit politischen Themen zu beschäftigen (von einigen Ausnahmen abgesehen). Ein Beispiel die auf Parteitagen zu stellende Frage "Wer hat den Programmentwurf gelesen?". Siehe zB. den europapolitischen Antrag in Bochum. Oder auch das Paradoxon, daß in Sachsen in innerparteilicher Umfrage die Mehrheit das Hauptthema "Bildung" in Vordergrund des Wahlkampfes sehen wollte, sich zu dem Thema bis 4 Wochen vor dem LPT kaum jemand mit dem Thema beschäftigt hatte, von regelmäßig oder konstant ganz zu schweigen.

Dienstag, 13. Mai 2014

Kamera, Kamera an der Wand…

Update 2: Die Info im TAZ-Artikel basierte auf Zahlen des SMI und sind wohl korrekt.

Update: der TAZ-Artikel enthält einen Fehler, es wurden 674 Kameras gezählt, danke an Twitterer @cnnwtz, sh. http://leipzigerkamera.twoday.net/stories/2424427/

 


Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0: KMJ at Wikipedia

 …wer ist die Heldenhafteste im ganzen Land?

"Leipzig und seine Überwachungskameras" ist seit Ende der 90er immer wieder Thema. Die Leipziger haben leider kein Bewusstsein entwickelt sich aktiv gegen die allgegenwärtige Überwachung, nicht zuletzt in Straßenbahnen zur Wehr zu setzen. Initiativen wie "Leipziger Kamera", "Salon Surveillance" und zur Zeit die Initiative "privacy Leipzig" flackern immer wieder mal auf. Doch den Bürgern Leipzigs scheint dies egal zu sein.

Zuletzt kam das Thema Überwachungskamera in der linken Szene in Connewitz auf, weil eine geheim installierte, autonome Kamera in Connewitz, Simildenstraße gefunden wurde. Erst später räumte die Staatsanwaltschaft Dresden ein, daß es sich um eine "operative Maßnahme" gehandelt habe.

Wurden 2004 in Leipzig ca. 7000 Kameras gezählt, die öffentlich, in und an Geschäften, in Bussen und Bahnen die Bürger dieser Stadt unablässig filmen, dürften sich diese Zahl heute deutlich erhöht haben. Auch die Qualität der Aufnahmen wurde durch Fortschritte in der Technik deutlich gesteigert. Selbst die Universität entwickelt sich zu einer Überwachungszone. Trotz entsprechender Hinweise an die studentische Öffentlichkeit 2011 ist das Thema Überwachung bis heute nicht auf dem Schirm der sonst so aufgeklärten kritischen Studentenschaft.

Vor dem Hintergrund dieser Situation hilft vielleicht folgende FAQ zum Thema Kameras im öffentlichen Raum: http://wiki.piratenpartei.de/FAQ_Video%C3%BCberwachung.

Schützt Videoüberwachung vor Verbrechen?

Schauen wir uns die Kriminalstatistik für Leipzig an, allein das Beispiel Diebstähle beantwortet diese Frage:
Die Polizeidirektion Leipzig wies im Jahr 2013 mit 99.422 Fällen ein ähnlich hohes Straftatenniveau auf wie im Jahr zuvor (100.100 Fälle). Auf 100.000 Einwohner entfielen somit 10.159 Straftaten. Die Aufklärungsquote sank um 1,2 Prozent auf nunmehr 48,9 Prozent; insgesamt wurden in 48.627 Fällen Täter ermittelt.

Hilft es bei der Aufklärung?

Ebenfalls aus der Statistik von 2013:
Für die kreisfreie Stadt Leipzig wurden 70.451 Fälle (+2,0 Prozent) erfasst - das seit 2003 höchste Niveau. Mit 46,6 Prozent fiel die Aufklärungsquote vergleichsweise niedrig aus. 
 Also nein.

Hilft Videoüberwachung bei Drogenkriminalität?

Für Leipzig stellt die Statistik folgende Entwicklung der Rauschgiftdelikte fest:

Mit 2.203 Fällen waren im Jahr 2013 lediglich vier Fälle mehr als im Vorjahreszeitraum festzustellen. Hiervon entfiel knapp die Hälfte auf Amphetamine/Methamphetamine (Crystal). Die Statistik weist zwar eine vermeintliche Stagnation aus, doch neun Rauschgifttote und die hohen Sicherstellungsmengen verdeutlichen den polizeilichen Handlungsbedarf – zumal das Deliktsfeld der Kontrollkriminalität zuzuordnen ist.


Aus obiger FAQ: Drogenhandel ist ein "Verabredungsdelikt". Treffpunkte für den Handel werden explizit (z. B. telefonisch) oder implizit (bekannter Ort) ausgemacht. Da Videoüberwachung nichts an der Nachfrage für Drogen ändert, verlagert sich dieser einfach in andere Gebiete. http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=87379ttw

Hilft Videoüberwachung bei Vandalismus?

Nö. Meistens wird Vandalismus im Zusammenhang mit Alkoholkonsum festgestellt. Die Täter agieren im Affekt und sind sich in der Situation nicht der Kameraüberwachung bewußt.

Hilft Videoüberwachung bei Gewaltdelikten?

Auch hier aus der FAQ: Bei Affekthandlungen gilt für Videoüberwachung das selbe wie für Strafandrohungen: Der/Die Täter/-in ist ein seinem Zustand außerstande, solche Faktoren zu berücksichtigen. Bei geplanten Gewalttaten kann Videoüberwachung hingegen einen umdisponierenden Effekt haben. Bei uns meldeten sich auch Opfer von Gewaltdelikten, die direkt vor Videokameras stattfanden. Das Überwachungspersonal hatte nichts bemerkt. Überhaupt wären Ihre Einschreitmöglichkeiten sehr begrenzt.

Hilft Videoüberwachung bei Diebstählen oder zumindest deren Aufklärung?

Wenn man sich die Täterfotos der Polizei aus Presse anschaut, ist die Qualität der Aufnahmen nicht zu gebrauchen. Vergleiche hierzu die Studie der University ofCalifornia in Berkeley: http://groups.ischool.berkeley.edu/samuelsonclinic/sensor_networks/285

Und im Kampf gegen den Terror ?

Wieder aus der FAQ: Terror ist eine Taktik. Die Probleme, die zu Terror führen, schwelen meist seit Jahrzehnten. Selbstmordattentätern macht es nichts aus, bei der Tat gefilmt zu werden - im Gegenteil: Weil Terror auf der Verbreitung von Angst basiert, könnte Ihnen sogar sehr an „guten Bildern“ liegen. Überwachte Gebiete gewinnen da an Attraktivität.

Was kostet Videoüberwachung in Leipzig?

Leider konnte ich die Zahlen im Haushalt nicht finden. Wer Hinweise hat, bitte melden.

Was ist mit dem Gefühl der Sicherheit?

Aus der FAQ: Das subjektive Sicherheitsgefühl wird tatsächlich bei vielen Leuten gehoben. Ein trügerischer Placeboeffekt, der z. T. auf cleveren Marketing der Überwachungsindustrie beruht und bei potentiellen Opfern zu gefährlichen Leichtsinn führen kann. http://www.quintessenz.at/d/000100003391

Was macht das Überwachungspersonal, wenn ihm fade ist?

Aus der FAQ: Große Wellen schlug die Enthüllung rund um Museumswachleute in Berlin, die mit ihren Hochleistungskameras in das Wohnzimmer von Angela Merkel zoomten. In England kam es bereits zu Verurteilungen von Überwachungsbeamten wegen Voyeurismus. In Wien versprach die Polizei nach ähnlichen Vorfällen, nur noch 'speziell geschultes' Personal einzusetzen.