Der Anlaß
Heute machte via Twitter das Ergebnis einer Urabstimmung über eine Unvereinbarkeitserklärung im KV Dresden die Runde
Eine Urabstimmung mit 44% Beteiligung, bei welcher 89% für einen Antrag stimmen und hinterher gibs gemecker. Nur bei denIch habe mich über den Tweet gewundert, da Dresden der größte KV in Sachsen ist und deutlich mehr als 200 Mitglieder zählen sollte.#Piraten m(
Also fragte ich nach:
44% Beteiligung? Bei 61 Stimmen? Dachte, Dresden hätte knapp 300 Mitglieder?Dann kam vom Initiator der Urabstimmung, Florian A. Unterburger und aktueller Landesvorstand folgende Antwort:
150 Stimmberechtigte von 260 Mitgliedern, 66 Teilnehmer: 5 Ungültige, 7 Nein, 54 Ja-StimmenGut, rechnen wir nach.
Zahlungs- und Beteiligungsquote
150 von 260 Mitgliedern durften an der Abstimmung teilnehmen, sind 57,7%. Anders ausgedrückt, 42,3% der Mitglieder hatten ihren Mitgliedsbeitrag nicht gezahlt und waren damit nicht stimmberechtigt.
Woher die Zahl von 44% Beteiligung?
Gerechnet wurde 66 Mitglieder, die sich an der Urabstimmung aktiv beteiligt haben: 66 von 160 macht 44% Beteiligung. Da die Hürde der Urabstimmung darin lag:
- eine eidesstaatliche Versicherung abzugeben ([Update 2012-12-13] welche manche vielleicht mit einer notariellen Beglaubigung gleichsetzen), siehe http://www.piraten-dresden.de/2012/11/23/die-dresdner-piraten-fuhren-urabstimmung-durch/
- den Brief zu frankieren oder direkt bei LGS abzugeben
kann man davon ausgehen, daß die, denen die Debatte am Herzen lag, sich vermutlich beteiligt haben.
Da wir nicht wissen, wieso die 56% der 150 Dresdner Piraten sich nicht an der Abstimmung beteiligt haben, können wir nur mutmaßen:
- Desinteresse an der Debatte
- zu hohe Hürde
- Abschreckung durch den Begriff eidesstaatlicher Versicherung
- Einschüchterung durch lautstarke Unvereinbarkeitsbefürworter oder -gegner
- Faulheit
89% Zustimmung?
Der Antragsteller Florian A. Unterburger meinte:
Gab niemals eine höher legimitierte politische EntscheidungDas ist IMHO Blödsinn. Wenn man die 66 abgebenen Stimmen rechnet, dann sieht mit 5 ungültigen, 7 Nein- und 54 Ja-Stimmen das Ergebnis prozentual zwar so aus:
81,8 % für Unvereinbarkeitserklärung
10,6 % gegen Unvereinbarkeitserklärung
7,6 % ungültig
Wenn man das Ergebnis aber auf die Grundgesamtheit der Stimmberechtigten rechnet, dann sehen die Zahlen deutlich anders aus:
36,0 % für Unvereinbarkeitserklärung
4,7 % gegen Unvereinbarkeitserklärung
60,7 % ohne Meinung oder ungültig
Jetzt kam der Einwand vom Antragsteller, daß
Keine Sorge, 89% Zustimmung - wer nicht teilnimmt, kann sich nicht enthalten. Wie beim Parteitag.Diese Aussage ist aber falsch, da von einem anderen Piraten aus Dresden richtig eingewandt:
da bei Urabstimmung alle "akkreditiert" sind sind es Enthaltungen.Meine Frage ist, warum wir Piraten es nötig haben, mit geschönten Zahlen um uns zu werfen?
Weiterführendes
Es stellen sich für mich bei solchen Zahlen ganz andere Fragen:
- Warum ist die Zahlerquote in Dresden so niedrig?
- Warum muß man eine Unvereinbarkeitserklärung unbedingt via Urabstimmung durchführen?
- Stehen die Kosten für eine Urabstimmung im Verhältnis zum Ergebnis?
- Warum wird bei der Urabstimmung von Versicherung an Eidesstatt gesprochen?
- Braucht es wirklich so hohe Hürden für Urabstimmung?
- Wie sehen die ungültigen Stimmen aus? Was macht sie ungültig?
- Wieviele Rückläufer gab es?
- Warum muß man mit billigen Tricks die Prozente der Zustimmung zur Erklärung hochschrauben? Wem nützt das?
Wir waren als Partei mal angetreten, sachbezogene Politik zu machen. Politik, die sich nicht an hohlen Phrasen klammert und die evidenzbasiert ist.
Als Lesetipp sei "Statistik für die Westentasche" von Walter Krämer, Piper München 2002. ISBN 3-492-04441-7 empfohlen.
Update 2012-12-13
Mich erreichten jetzt ua. via Twitter folgende Nachrichten zu diesem Blogbeitrag:
... würd gerne allen Programmen + Satzungen in Sachsen die Legimität absprechen. Oh, wait...
Und:
Verzerrend,da leider Normalität: bei *allen* Ur-,Volks- u. Parteitagsabstimmungen kaum mehr Teilnahme
Es scheint da bei einigen das Verständnis zu fehlen, daß eine Urabstimmung nicht mit einem Bundesparteitag gleichzusetzen ist.
Bei einem Parteitag zählen die akkreditierten Anwesenden einer Versammlung. Da nicht jeder der dort Akkreditierten sich im Versammlungsraum befindet, wird dort pragmatisch nur mit der Gesamtzahl der abgebenen Stimmen gerechnet. Da der Großteil der Akkreditierten in der Versammlung sitzt, dürfte das Abstimmungsergebnis nicht allzusehr vom wahren Abstimmungsergebnis abweichen.
Bei einer Urwahl ist das anders. Dort sind die Stimmberechtigten diejenigen, die Abstimmungsunterlagen zugesandt bekommen haben. Hier kann man nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß der Großteil der Stimmberechtigten auch abstimmen. Und die Zahl von 150 Stimmberechtigten zu 66 Abstimmenden zeigt dies auch deutlich.
Die 66 Abstimmenden sind nicht repräsentativ für die Gruppe der 150 Stimmberechtigten, da die Hürde, an der Urabstimmung teilzunehmen für den einzelnen sehr hoch liegt.
Jemand, den das Thema nicht sonderlich interessiert wird dann nur wenig Zeit und Energie aufwenden, an dieser Abstimmung teilzunehmen. Jemand, der in dieser Debatte hoch emotionalisiert ist, bringt dann auch die Energie auf, sich einzubringen.
Und letztlich ist genau das die Unredlichkeit, die ich anprangere, daß dieser Faktor der hohen Hürde unter den Tisch gekehrt wird und nicht mit absoluten Zahlen, sondern mit Werten, wie 89% Zustimmung operiert wird, die die Realität nicht widerspiegeln.
Die gleiche Unredlichkeit übrigens, die Befürworter von LQFB ins Feld führen. Da kommen dann so Argumente "Der Antrag hat 89% Zustimmung im LQFB, dem *müsst* ihr folgen". Was dann fehlt, ist der kleine Hinweis: "An der Abstimmung haben von 2000 Stimmberechtigten nur 10 teilgenommen".
Wenn es zwischen Zahl der Abstimmenden und Zahl der Stimmberechtigten
keine großen Diskrepanzen geben würde, wäre der Jubel von Floran A.
Unterburger über das Ergebnis "89%" gerechtfertigt. Wir haben hier aber
eine Quote von 60,7% deren Meinung zu dem Thema nicht bekannt ist, und
56% die sich überhaupt nicht an der Abstimmung beteiligt haben.
Kurzum, das Ergebnis ist nicht repräsentativ. Und damit sind solche
Aussagen, wie "89% für Unvereinbarkeitserklärung!" politische Symbole,
die so in der Form von den etablierten Parteien verwendet werden ("die
CDU hat die Wahl mit 54% gewonnen!" vs. 40% Nichtwähler) auch bei den
Piraten eingezogen.
Es wäre ehrlicher, wenn wir Politik sachlich fundiert machen würden. Es
bricht keinem der Zacken aus der Krone, wenn man sachlich schreibt:
44% der Dresdner Piraten haben sich an der Urabstimmung beteiligt.
Unter den 150 Stimmberechtigten befürworteten 36% die
Unvereinbarkeitserklärung, 4,7% lehnten diese ab, 60,7 % sind ohne
Meinung oder deren Stimmen waren ungültig.
>Warum ist die Zahlerquote in Dresden so niedrig?
AntwortenLöschenGegenfrage: Warum ist die Zahlerquote in Sachsen so niedrig?
>Warum muss man eine Unvereinbarkeitserklärung unbedingt via Urabstimmung durchführen?
So erreicht man ein Maximum an Mitgliedern, mehr geht nicht, man könnten sie nur noch zu Hause abholen.
>Stehen die Kosten für eine Urabstimmung im Verhältnis zum Ergebnis?
Ansichtssache, fragt man sich das nicht bei jedem Parteitag?
>Warum wird bei der Urabstimmung von Versicherung an Eidesstatt gesprochen?
Steht in der Satzung
>Braucht es wirklich so hohe Hürden für Urabstimmung?
Weiß nicht, Steht so in der Satzung
>Wie sehen die ungültigen Stimmen aus? Was macht sie ungültig?
Die Ungültigen Stimmen kamen zu Spät an (nach dem 7.12.12 18 Uhr, Poststempel Berücksichtigt.), oder es war Keine Eidesstattliche Erklärung dabei.
>Wieviele Rückläufer gab es?
5 oder 6, was wirklich wenig ist!
>Warum muß man mit billigen Tricks die Prozente der Zustimmung zur Erklärung hochschrauben? Wem nützt das?
Gegenfrage, bei welcher Wahl wird das Ergebnis anhand der Grundgesamtheit angegeben?
Ich beantworte mal die Fragen, zu denen ich eine Antwort weiß (nächstes mal bitte Fragen durchnummerieren - danke):
AntwortenLöschen1. Das ist nicht nur ein Dresdner Problem, der KV liegt mit einer Bezahlerquote von 57% sogar deutlich über dem Landesschnitt von 45%, und nur knapp unter dem Bundesschnitt von 59%. Wir haben dafür offensichtlich noch keine gute Lösung gefunden.
2. Urabstimmung wurde beantragt und von genügend Personen unterstützt.
3. Dem KV-Dresden entstanden durch die Urabstimmung nur Kosten für die Unterlagen (Papier,Druck, Umschläge).
4. Weil die Satzung so von der Hauptversammlung beschlossen wurde.
5. Mir ist kein Antrag auf Urabstimmung bekannt, der an Hürden gescheitert wäre.
6. Häufigste Ursache: Anleitung der Briefwahl nicht befolgt - zum Bsp. waren mehrere Stimmzettel gänzlich ohne Erklärung,Versicherung (ob nun eidesstattlich oder nicht).
7. Soweit ich weiß 2, die beide noch innerhalb der Frist zugestellt, und zurückgesandt wurden.
8. Zur Bewertung des Erfolgs einer Urabstimmung ist nach Satzung allein das Verhältnis der gültigen Stimmen ausschlaggebend. Die Wahlbeteiligung bemisst sich an gültigen plus ungültig abgegebenen Stimmen.